Warum die Gesundheitsprüfung das Nadelöhr zum PKV-Beitritt ist
Während der Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung für viele Arbeitnehmer, Selbstständige und Beamte attraktiv erscheint, scheitert der Beitritt oft an einer entscheidenden Hürde: der Gesundheitsprüfung.
Anders als die GKV, die jeden Versicherungspflichtigen unabhängig von seinem Gesundheitszustand aufnehmen muss, wählen private Krankenversicherer ihre Kunden gezielt aus. Jeder Antragsteller muss seine Krankengeschichte offenlegen – und der Versicherer entscheidet, ob und zu welchen Konditionen er ihn aufnimmt.
Diese Gesundheitsprüfung ist kein Formalakt, sondern ein ernsthafter Auswahlprozess. Fehlerhafte Angaben, unvollständige Informationen oder das Verschweigen von Vorerkrankungen können nicht nur zur Ablehnung führen, sondern im schlimmsten Fall den gesamten Versicherungsschutz gefährden.
Dieser Ratgeber erklärt Ihnen Schritt für Schritt:
- Wie die Gesundheitsprüfung genau abläuft
- Welche Fragen gestellt werden und wie Sie diese richtig beantworten
- Was bei Vorerkrankungen passiert (Risikozuschläge, Ausschlüsse, Ablehnungen)
- Wie Sie Ihre Chancen auf Annahme maximieren
- Welche Strategien es bei schwierigen Krankengeschichten gibt
Wenn Sie die Gesundheitsprüfung verstehen und richtig vorbereiten, erhöhen Sie Ihre Chancen auf eine erfolgreiche PKV-Aufnahme erheblich – selbst mit kleineren Vorerkrankungen.
Wie funktioniert die Gesundheitsprüfung bei der PKV?
Der Ablauf in drei Schritten
Schritt 1: Antragstellung und Gesundheitsfragebogen
Wenn Sie einen PKV-Antrag stellen, müssen Sie einen umfangreichen Gesundheitsfragebogen ausfüllen. Dieser umfasst typischerweise:
- Aktuelle Beschwerden und Symptome
- Vorerkrankungen der letzten 5-10 Jahre
- Krankenhausaufenthalte und Operationen
- Laufende Behandlungen und Medikamente
- Arbeitsunfähigkeitszeiten
- Psychische Erkrankungen
- Chronische Leiden und Behinderungen
- Körpergröße, Gewicht, Raucherstatus
- Riskante Hobbys (z.B. Fallschirmspringen, Tiefseetauchen)
Die Fragebögen sind sehr detailliert und können 20-40 Fragen umfassen. Jede Frage muss vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Schritt 2: Prüfung durch den Versicherer (Risikoprüfung)
Nach Eingang Ihres Antrags prüft die Versicherungsgesellschaft Ihre Angaben anhand interner Richtlinien:
- Gesunde Antragsteller: Schnelle Annahme ohne Auflagen (1-2 Wochen)
- Leichte Vorerkrankungen: Annahme mit kleinen Zuschlägen oder ohne Auflagen (2-4 Wochen)
- Relevante Vorerkrankungen: Rückfragen, Anforderung ärztlicher Unterlagen, eventuell Risikozuschläge oder Ausschlüsse (4-8 Wochen)
- Schwere Vorerkrankungen: Detailprüfung, ggf. ärztliche Untersuchung, Ablehnung möglich (6-12 Wochen)
Schritt 3: Angebot und Vertragsannahme
Der Versicherer unterbreitet Ihnen ein Angebot:
- Normalannahme: Vertrag ohne Auflagen zu Standardkonditionen
- Annahme mit Risikozuschlag: Vertrag mit erhöhtem Beitrag (z.B. +20%, +50%)
- Annahme mit Leistungsausschluss: Vertrag mit Ausschluss bestimmter Erkrankungen oder Körperregionen
- Ablehnung: Kein Vertragsangebot
Sie können das Angebot annehmen oder ablehnen. Bei Ablehnung können Sie bei anderen Versicherern anfragen.
Anonyme Risikovoranfrage: Der smarte Weg zur besten Offerte
Bevor Sie einen offiziellen Antrag stellen, sollten Sie eine anonyme Risikovoranfrage durchführen:
Was ist das?
Ein unabhängiger Versicherungsmakler schickt Ihre Gesundheitsdaten anonymisiert an mehrere PKV-Versicherer. Diese prüfen Ihr Risiko und geben unverbindliche Angebote ab – ohne dass Ihr Name gespeichert wird.
Vorteile:
- Keine Ablehnungsdokumentation: Offizielle Ablehnungen werden in der Hinweis- und Informationssystem-Datei (HIS) gespeichert und können spätere Anträge erschweren
- Vergleich mehrerer Angebote: Sie sehen, welcher Versicherer Ihre Vorerkrankungen am günstigsten bewertet
- Keine Verpflichtung: Sie entscheiden erst nach Sichtung der Angebote, wo Sie offiziell beantragen
- Bessere Konditionen: Oft finden sich erhebliche Unterschiede (z.B. ein Versicherer verlangt +30% Zuschlag, ein anderer nur +10%)
Ablauf:
- Makler kontaktieren und Gesundheitsdaten übermitteln
- Makler fragt anonym bei 5-10 Versicherern an
- Versicherer geben vorläufige Einschätzungen ab
- Sie wählen das beste Angebot aus
- Offizieller Antrag nur bei dem ausgewählten Versicherer
Wichtig: Führen Sie die Risikovoranfrage vor einem offiziellen Antrag durch – nicht danach.
Welche Fragen werden gestellt? Der typische Gesundheitsfragebogen
Fragen zu aktuellen Beschwerden
Beispielfragen:
- “Haben Sie aktuell Beschwerden oder Symptome, die ärztlich abgeklärt werden müssen?”
- “Sind Sie derzeit in ärztlicher Behandlung?”
- “Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein? Wenn ja, welche und warum?”
Wie antworten:
- Auch scheinbar harmlose Symptome angeben (z.B. wiederkehrende Kopfschmerzen, Rückenschmerzen)
- Alle regelmäßigen Medikamente auflisten (auch rezeptfreie wie Blutverdünner, Schilddrüsenmedikamente)
- Angeben, ob Symptome bereits diagnostiziert wurden oder noch unklar sind
Beispiel:
“Ja, ich nehme seit 3 Jahren täglich L-Thyroxin 50µg wegen Schilddrüsenunterfunktion (Hashimoto-Thyreoiditis, diagnostiziert 2022).”
Fragen zu Vorerkrankungen
Beispielfragen:
- “Welche Erkrankungen hatten Sie in den letzten 5/10 Jahren?”
- “Wurden Sie in den letzten 5 Jahren stationär behandelt oder operiert?”
- “Hatten Sie in den letzten 3 Jahren mehr als 14 Tage Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung?”
Häufige Zeiträume:
- Letzte 5 Jahre: Standardfrist für die meisten Erkrankungen
- Letzte 10 Jahre: Bei chronischen Erkrankungen, Operationen, schweren Diagnosen
- Jemals: Bei HIV, Krebs, Organschäden, Diabetes, psychischen Erkrankungen
Wie antworten:
- Alle diagnostizierten Erkrankungen auflisten, auch wenn sie ausgeheilt sind
- Genaue Diagnose angeben (nicht nur “Magenbeschwerden”, sondern “Gastritis, ausgeheilt”)
- Zeitraum und Behandlungsdauer nennen
- Aktueller Status: Ausgeheilt, chronisch, in Behandlung
Beispiel:
“2021: Nasenbeinbruch nach Sportunfall, konservativ behandelt, komplikationslos ausgeheilt. 2023: Gastritis, 6 Wochen Behandlung mit Protonenpumpenhemmer, seitdem beschwerdefrei.”
Fragen zu psychischen Erkrankungen
Beispielfragen:
- “Waren Sie jemals wegen psychischer Erkrankungen in Behandlung?”
- “Haben Sie Medikamente gegen Depressionen, Angstzustände oder andere psychische Leiden eingenommen?”
- “Waren Sie in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung?”
Besonderheiten:
Psychische Erkrankungen werden von PKV-Versicherern besonders kritisch bewertet, da sie oft langwierig und kostenintensiv sind.
Häufige Diagnosen mit Auswirkungen:
- Depressionen: Abhängig von Schweregrad – leichte, ausgeheilte Episoden oft akzeptiert, schwere oder wiederkehrende Depressionen führen zu Zuschlägen oder Ausschlüssen
- Burnout: Wird meist als Risikofaktor gewertet, besonders wenn längere Arbeitsunfähigkeit vorlag
- Angststörungen: Können zu Zuschlägen führen
- ADHS: Bei Erwachsenen oft unproblematisch, wenn gut eingestellt
- Essstörungen: Anorexie, Bulimie – meist Risikozuschläge oder Ausschlüsse
- Psychosen, bipolare Störungen: Hohe Ablehnungswahrscheinlichkeit
Wie antworten:
- Auch kurze Behandlungen angeben (z.B. 10 Sitzungen Gesprächstherapie nach Trauerfall)
- Genaue Diagnose nennen, wenn bekannt
- Dauer und Ausgang der Behandlung erwähnen (“Erfolgreich abgeschlossen, seit 3 Jahren symptomfrei”)
Beispiel:
“2020: 12 Sitzungen Verhaltenstherapie wegen Anpassungsstörung nach Jobverlust, ohne Medikation, erfolgreich abgeschlossen, seitdem beschwerdefrei.”
Fragen zu chronischen Erkrankungen
Beispielfragen:
- “Leiden Sie an chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Asthma, Rheuma oder anderen dauerhaften Leiden?”
- “Sind bei Ihnen Allergien, Unverträglichkeiten oder Autoimmunerkrankungen bekannt?”
Typische chronische Leiden und ihre Bewertung:
| Erkrankung | Übliche Folge |
|---|---|
| Bluthochdruck (gut eingestellt) | Zuschlag 10-30% |
| Diabetes Typ 1 | Zuschlag 50-100% oder Ablehnung |
| Diabetes Typ 2 (gut eingestellt) | Zuschlag 30-50% |
| Asthma (leicht) | Zuschlag 10-20% |
| Asthma (schwer) | Zuschlag 50% oder Ausschluss |
| Hashimoto (Schilddrüse) | Zuschlag 5-15% oder normale Annahme |
| Rheuma, Arthritis | Zuschlag 30-70% oder Ausschluss Bewegungsapparat |
| Migräne | Zuschlag 5-15% |
| Neurodermitis (leicht) | Meist normale Annahme |
| Neurodermitis (schwer) | Zuschlag oder Ausschluss Haut |
Wie antworten:
- Diagnose, Behandlungsbeginn, aktuelle Medikation und Verlauf angeben
- Bei gut eingestellten chronischen Erkrankungen: Darauf hinweisen (“seit 5 Jahren stabile Werte, keine Komplikationen”)
Beispiel:
“Bluthochdruck seit 2019, behandelt mit Ramipril 5mg täglich, Werte seit 3 Jahren stabil bei 130/85, keine Organschäden, regelmäßige Kontrollen beim Hausarzt.”
Fragen zu Gewicht, Raucherstatus und Lebensstil
Beispielfragen:
- “Körpergröße und aktuelles Gewicht?”
- “Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten pro Tag?”
- “Betreiben Sie riskante Sportarten oder Hobbys?”
BMI-Bewertung:
Der Body-Mass-Index (BMI) spielt eine wichtige Rolle:
- BMI unter 18,5 (Untergewicht): Möglicher Zuschlag 5-10%
- BMI 18,5–24,9 (Normalgewicht): Keine Auflagen
- BMI 25–29,9 (Übergewicht): Meist keine Auflagen, ab BMI 28 manchmal Zuschlag 5-10%
- BMI 30–34,9 (Adipositas Grad I): Zuschlag 10-30%
- BMI 35–39,9 (Adipositas Grad II): Zuschlag 30-50% oder Ablehnung
- BMI ab 40 (Adipositas Grad III): Häufig Ablehnung
Raucherstatus:
- Nichtraucher: Keine Auflagen
- Ex-Raucher (mindestens 12 Monate rauchfrei): Meist keine Auflagen
- Raucher (bis 10 Zigaretten/Tag): Zuschlag 10-20%
- Raucher (über 10 Zigaretten/Tag): Zuschlag 20-40%
Riskante Hobbys:
Fallschirmspringen, Gleitschirmfliegen, Tiefseetauchen, Kampfsport, Motorsport – können zu Zuschlägen oder Ausschlüssen für Unfallfolgen führen.
Wie antworten:
- Aktuelle Werte angeben (nicht beschönigen – bei Vertragsabschluss können Untersuchungen verlangt werden)
- Bei Ex-Rauchern: Datum der letzten Zigarette angeben
Beispiel:
“Körpergröße: 178 cm, Gewicht: 82 kg (BMI 25,9). Nichtraucher seit 2 Jahren (vorher 10 Jahre 5-10 Zigaretten täglich).”
Was passiert bei falschen Angaben? Die vorvertragliche Anzeigepflicht
Gesetzliche Grundlage: § 19 VVG
Nach § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind Sie verpflichtet, alle vom Versicherer gestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten.
Wichtig: Sie müssen nur das angeben, was gefragt wird. Ungefragt müssen Sie nichts offenbaren.
Beispiel:
Wenn die Frage lautet “Hatten Sie in den letzten 5 Jahren eine stationäre Behandlung?”, müssen Sie eine Krankenhausbehandlung vor 7 Jahren nicht angeben.
Folgen falscher oder unvollständiger Angaben
Anfechtung des Vertrags (§ 19 Abs. 2 VVG)
Wenn der Versicherer nachweist, dass Sie eine Frage falsch beantwortet oder relevante Informationen verschwiegen haben, kann er den Vertrag rückwirkend anfechten.
Konsequenzen:
- Vertragsauflösung: Der Versicherungsschutz entfällt ab Vertragsbeginn
- Rückforderung gezahlter Leistungen: Alle bereits erstatteten Behandlungskosten müssen zurückgezahlt werden (oft Zehntausende Euro)
- Keine Leistungen für laufende Behandlungen: Aktuelle Krankheitskosten bleiben bei Ihnen
- Versicherungslosigkeit: Sie stehen ohne Krankenversicherungsschutz da
Verjährung:
Das Recht zur Anfechtung verjährt 5 Jahre nach Vertragsabschluss – allerdings nur, wenn der Versicherer in dieser Zeit keine Kenntnis von der falschen Angabe erlangt hat.
Arglistige Täuschung:
Bei vorsätzlich falschen Angaben (z.B. bewusstes Verschweigen einer schweren Erkrankung) kann der Versicherer auch nach 5 Jahren noch anfechten – Verjährung gilt hier nicht.
Praxisbeispiel: Verschweigen einer Vorerkrankung
Fall:
Thomas, 38 Jahre, beantragt eine PKV. Er verschweigt, dass er vor 3 Jahren wegen eines Bandscheibenvorfalls behandelt wurde (6 Wochen Physiotherapie, keine OP). In der Frage “Hatten Sie in den letzten 5 Jahren Erkrankungen des Bewegungsapparats?” kreuzt er “Nein” an.
3 Jahre später:
Thomas erleidet einen erneuten Bandscheibenvorfall und benötigt eine Operation. Kosten: 15.000 Euro. Der Versicherer prüft die Akte und entdeckt die Vorbehandlung von vor 6 Jahren.
Folge:
- Der Versicherer fecht den Vertrag wegen Verletzung der Anzeigepflicht an
- Die OP-Kosten von 15.000 Euro werden nicht übernommen
- Alle bisher erstatteten Leistungen (z.B. Zahnarztbehandlungen, Arztbesuche) müssen zurückgezahlt werden (ca. 8.000 Euro)
- Thomas steht ohne Versicherung da und muss sich neu versichern – jetzt mit dokumentiertem Bandscheibenleiden, was zu hohen Zuschlägen führt
Fazit: Die 6 Wochen Physiotherapie hätten vermutlich nur zu einem kleinen Zuschlag von 10-15% geführt – das Verschweigen kostete ihn 23.000 Euro und den Versicherungsschutz.
Vorerkrankungen: Was passiert wirklich?
Risikozuschläge
Was ist das?
Ein Risikozuschlag ist ein prozentualer Aufschlag auf Ihren Beitrag, den der Versicherer verlangt, um Ihr erhöhtes Krankheitsrisiko auszugleichen.
Typische Zuschläge:
- Leichte Vorerkrankungen: 5-15% (z.B. ausgeheilter Nasenbeinbruch, leichte Allergie)
- Mittelschwere Vorerkrankungen: 15-30% (z.B. Bluthochdruck, leichtes Asthma, Hashimoto)
- Schwere Vorerkrankungen: 30-70% (z.B. Diabetes Typ 2, schweres Asthma, Rheuma)
- Sehr schwere Vorerkrankungen: 70-100% (z.B. Diabetes Typ 1, nach Herzinfarkt)
Beispiel:
Normalbeitrag: 400 Euro/Monat Risikozuschlag: 20% Tatsächlicher Beitrag: 480 Euro/Monat
Dauer:
- Befristet: Zuschlag gilt für 5-10 Jahre, danach Neubewertung (selten)
- Dauerhaft: Zuschlag gilt lebenslang (häufig)
Verhandelbar?
Nein, Risikozuschläge sind nicht verhandelbar. Sie können aber durch eine anonyme Risikovoranfrage bei mehreren Versicherern nach dem günstigsten Angebot suchen.
Leistungsausschlüsse
Was ist das?
Der Versicherer nimmt Sie an, schließt aber bestimmte Erkrankungen oder Körperregionen von der Leistung aus.
Typische Ausschlüsse:
- Psychotherapie: Bei Vorerkrankungen wie Depressionen, Burnout
- Bewegungsapparat: Bei Bandscheibenvorfällen, Arthrose, Rheuma
- Herz-Kreislauf: Bei Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen
- Haut: Bei Neurodermitis, Schuppenflechte
- Spezifische Organe: Z.B. Schilddrüse bei Hashimoto
Dauer:
- Befristet: Ausschluss für 5 Jahre, danach Neubewertung (möglich, aber selten)
- Dauerhaft: Ausschluss gilt lebenslang (häufig)
Beispiel:
Maria hat vor 5 Jahren einen Bandscheibenvorfall gehabt (konservativ behandelt, ausgeheilt). Der Versicherer nimmt sie an, schließt aber alle Erkrankungen der Wirbelsäule und Bandscheiben dauerhaft aus.
Konsequenz:
Wenn Maria in 10 Jahren erneut einen Bandscheibenvorfall erleidet, zahlt die PKV nicht – weder Physiotherapie noch Operation. Alle anderen Erkrankungen (z.B. Blinddarm-OP, Zahnbehandlung, Grippe) sind versichert.
Ist das akzeptabel?
Das hängt von der Wahrscheinlichkeit eines Wiederauftretens ab:
- Bei ausgeheilten, einmaligen Vorfällen: Meist akzeptabel
- Bei chronischen Leiden oder hoher Rückfallgefahr: Kritisch prüfen
Ablehnung
Wann lehnen Versicherer ab?
Bei sehr schweren oder hochriskanten Vorerkrankungen lehnen PKV-Versicherer die Aufnahme ab.
Typische Ablehnungsgründe:
- Krebs (aktiv oder Rezidivrisiko in den letzten 5-10 Jahren)
- HIV/AIDS
- Schwere psychische Erkrankungen (Psychosen, Schizophrenie, schwere Depressionen mit Suizidversuchen)
- Diabetes Typ 1 mit Komplikationen
- Schwere Herzerkrankungen (nach Herzinfarkt, Bypass)
- Organschäden (Nieren-, Leberschäden)
- Mehrere chronische Erkrankungen gleichzeitig (Multimorbidität)
Was tun bei Ablehnung?
- Andere Versicherer anfragen: Versicherer bewerten Risiken unterschiedlich – was bei einem Versicherer zur Ablehnung führt, kann bei einem anderen angenommen werden (daher: anonyme Risikovoranfrage!)
- Basistarif prüfen: Jeder PKV-Versicherer muss einen Basistarif anbieten, der alle Antragsteller aufnimmt (allerdings mit GKV-ähnlichen Leistungen und hohen Beiträgen)
- GKV als Alternative: Wenn Sie versicherungspflichtig sind oder werden können, ist die GKV eine sichere Option ohne Gesundheitsprüfung
Strategien für eine erfolgreiche Gesundheitsprüfung
Strategie 1: Vollständige und ehrliche Angaben
Warum?
- Falsche Angaben gefährden den Versicherungsschutz
- Nachträgliche Anfechtung kann Zehntausende Euro kosten
- Ehrlichkeit schafft rechtliche Sicherheit
Wie?
- Alle Fragen sorgfältig lesen und vollständig beantworten
- Auch scheinbar harmlose Vorerkrankungen angeben
- Bei Unsicherheit: Arztberichte anfordern und prüfen
- Lieber zu viel angeben als zu wenig
Strategie 2: Anonyme Risikovoranfrage nutzen
Warum?
- Vermeidet offizielle Ablehnungen, die in der HIS-Datei gespeichert werden
- Ermöglicht Vergleich mehrerer Versicherer ohne Verpflichtung
- Findet den Versicherer, der Ihre Vorerkrankungen am günstigsten bewertet
Wie?
- Unabhängigen Versicherungsmakler beauftragen (nicht an einzelne Versicherer gebunden)
- Vollständige Gesundheitsdaten übermitteln
- Makler fragt bei 5-10 Versicherern anonym an
- Sie erhalten Angebote und wählen das beste aus
Kosten:
Für Sie kostenfrei – der Makler erhält bei Vertragsabschluss eine Provision vom Versicherer.
Strategie 3: Optimaler Zeitpunkt für den Antrag
Wann beantragen?
- In jungen Jahren: Je jünger und gesünder, desto bessere Konditionen
- Vor bekannten Risiken: Z.B. vor einer geplanten Schwangerschaft, vor riskantem Hobby, vor beruflicher Veränderung mit Gesundheitsrisiko
- Nach Ausheilung: Wenn möglich, warten Sie, bis eine Erkrankung vollständig ausgeheilt ist (z.B. 12 Monate symptomfrei nach Gastritis statt während der Behandlung)
Für Angestellte mit Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze ist der ideale Zeitpunkt zum PKV-Antrag bereits kurz nach Überschreiten der Grenze im zweiten Jahr.
Beispiel:
Anna (28) hat eine leichte Gastritis, die seit 3 Monaten behandelt wird. Sie wartet noch 9 Monate, bis sie 12 Monate symptomfrei ist – dann stellt sie den Antrag. Der Versicherer bewertet die Gastritis als “ausgeheilt, keine aktuelle Behandlung” und nimmt sie ohne Zuschlag an.
Strategie 4: Professionelle Unterstützung
Unabhängiger Versicherungsmakler
- Kennt die Bewertungspraxis verschiedener Versicherer
- Kann einschätzen, bei welchem Versicherer Sie die besten Chancen haben
- Begleitet den Antragsprozess und hilft bei Rückfragen
Fachanwalt für Versicherungsrecht (bei schwierigen Fällen)
- Prüft Ablehnungen oder fragwürdige Ausschlüsse
- Vertritt Sie gegenüber dem Versicherer
- Hilft bei Vertragsstreitigkeiten
Strategie 5: Arztberichte und Dokumentation vorbereiten
Warum?
- Sie können schnell und vollständig auf Rückfragen reagieren
- Professionelle Dokumentation beschleunigt die Prüfung
- Ärztliche Stellungnahmen können positive Bewertungen unterstützen
Wie?
- Arztberichte anfordern: Bei allen Ärzten, die Sie in den letzten 5-10 Jahren behandelt haben
- Behandlungsverläufe dokumentieren: Wann begann die Erkrankung, welche Behandlung, wie war der Verlauf, aktueller Status
- Ärztliche Bescheinigungen: Bei ausgeheilten Erkrankungen eine ärztliche Bescheinigung über die vollständige Ausheilung beifügen
Beispiel:
Michael hatte vor 4 Jahren einen Bandscheibenvorfall (konservativ behandelt, 8 Wochen Physiotherapie). Er legt dem Antrag eine Bescheinigung seines Orthopäden bei: “Patient ist seit 3,5 Jahren beschwerdefrei, keine Einschränkungen, keine Medikation, volle Arbeitsfähigkeit.” → Versicherer nimmt ihn ohne Zuschlag an.
Sonderfälle und besondere Situationen
Schwangerschaft und Kinderwunsch
Frage: Muss ich eine geplante oder bestehende Schwangerschaft angeben?
Antwort: Ja, wenn danach gefragt wird. Viele PKV-Fragebögen enthalten Fragen wie “Sind Sie schwanger?” oder “Planen Sie in absehbarer Zeit eine Schwangerschaft?“.
Konsequenzen:
- Bestehende Schwangerschaft: Meist Ablehnung oder Ausschluss von Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt
- Geplante Schwangerschaft: Oft Wartezeit von 8 Monaten für Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt
Strategie:
Wenn möglich, warten Sie mit dem PKV-Antrag, bis die Schwangerschaft vorbei ist – oder schließen Sie vor der Schwangerschaft ab.
Berufliche Risiken
Fragen: “Üben Sie einen risikoreichen Beruf aus?”
Risikoberufe:
- Polizist, Feuerwehrmann, Soldat
- Dachdecker, Gerüstbauer, Bergleute
- Pilot, Seemann
- Chemiearbeiter (Exposition gegenüber Gefahrstoffen)
Konsequenzen:
- Risikozuschläge 10-30%
- Ausschlüsse für berufsbedingte Erkrankungen
Strategie:
Bei Berufswechsel in risikoarmen Beruf: Darauf hinweisen, um Zuschläge zu reduzieren.
Vorerkrankungen bei Kindern
Besonderheit:
Auch Kinder unterliegen der Gesundheitsprüfung. Häufige Vorerkrankungen bei Kindern:
- ADHS
- Neurodermitis
- Asthma
- Allergien
- Entwicklungsverzögerungen
- Sprachstörungen (Logopädie)
Konsequenzen:
- Bei leichten, ausgeheilten Vorerkrankungen: Meist normale Annahme
- Bei chronischen Leiden (z.B. Asthma): Zuschläge oder Ausschlüsse
Strategie:
Warten Sie, bis Entwicklungsverzögerungen oder vorübergehende Leiden ausgeheilt sind, bevor Sie das Kind in der PKV anmelden.
Checkliste: So meistern Sie die Gesundheitsprüfung
Vor dem Antrag
- ✅ Arztberichte anfordern: Bei allen Ärzten der letzten 5-10 Jahre
- ✅ Krankengeschichte dokumentieren: Alle Diagnosen, Behandlungen, Medikamente auflisten
- ✅ Anonyme Risikovoranfrage: Bei 5-10 Versicherern durchführen (über unabhängigen Makler)
- ✅ Angebote vergleichen: Zuschläge, Ausschlüsse, Leistungen gegenüberstellen
- ✅ Optimalen Zeitpunkt wählen: Nach Ausheilung, in jungen Jahren, vor Risiken
Beim Ausfüllen des Fragebogens
- ✅ Alle Fragen vollständig beantworten: Nichts auslassen, auch nicht scheinbar Harmloses
- ✅ Wahrheitsgemäß antworten: Keine Beschönigungen, keine Lücken
- ✅ Genaue Diagnosen angeben: Nicht nur Symptome, sondern ärztliche Diagnose
- ✅ Zeiträume beachten: Nur das angeben, was im Fragezeitraum liegt (z.B. “letzte 5 Jahre”)
- ✅ Dokumentation beifügen: Arztberichte, Bescheinigungen über Ausheilung
- ✅ Bei Unsicherheit nachfragen: Lieber beim Makler rückfragen als falsch antworten
Nach dem Antrag
- ✅ Rückfragen schnell beantworten: Versicherer können weitere Unterlagen anfordern – zügig reagieren
- ✅ Angebot prüfen: Zuschläge und Ausschlüsse genau durchlesen
- ✅ Vergleichen: Falls mehrere Angebote vorliegen, objektiv bewerten
- ✅ Bei Ablehnung: Nicht aufgeben – andere Versicherer anfragen oder Basistarif prüfen
- ✅ Vertrag sorgfältig lesen: Vor Unterzeichnung alle Klauseln verstehen
Nach Vertragsabschluss
- ✅ Versicherungsschein prüfen: Sind alle Angaben korrekt?
- ✅ Unterlagen aufbewahren: Fragebogen, Antragsunterlagen, Korrespondenz – für spätere Nachweise
- ✅ Bei Änderungen informieren: Berufswechsel, Wohnortwechsel, Risikosport → Versicherer informieren
Fazit: Ehrlichkeit zahlt sich aus – Vorbereitung ist der Schlüssel
Die Gesundheitsprüfung bei der PKV ist kein unüberwindbares Hindernis, sondern ein transparenter Prozess – wenn Sie ihn richtig angehen.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
1. Vollständige und ehrliche Angaben sind Pflicht
Falsche oder unvollständige Angaben gefährden Ihren Versicherungsschutz und können zu enormen finanziellen Schäden führen. Verschweigen Sie nichts – die Wahrheit kommt früher oder später ans Licht.
2. Vorerkrankungen sind kein Ausschlusskriterium
Auch mit Vorerkrankungen können Sie in die PKV aufgenommen werden – oft mit Zuschlägen oder Ausschlüssen, aber eben nicht zwingend mit kompletter Ablehnung.
3. Anonyme Risikovoranfrage ist Ihr stärkster Hebel
Stellen Sie niemals blind einen offiziellen Antrag. Die anonyme Risikovoranfrage über einen unabhängigen Makler zeigt Ihnen, welcher Versicherer Ihre Gesundheitshistorie am günstigsten bewertet – ohne dass Ablehnungen dokumentiert werden.
4. Timing und Vorbereitung entscheiden
Je jünger und gesünder Sie sind, desto besser. Wenn möglich, warten Sie Ausheilungen ab, bevor Sie beantragen. Bereiten Sie Arztberichte und Dokumentationen vor, um Rückfragen schnell beantworten zu können.
5. Professionelle Unterstützung lohnt sich
Ein erfahrener, unabhängiger Versicherungsmakler kennt die Bewertungspraxis der Versicherer und hilft Ihnen, das beste Angebot zu finden. Bei schwierigen Fällen kann ein Fachanwalt für Versicherungsrecht wertvolle Dienste leisten.
Die Gesundheitsprüfung ist kein Glücksspiel – sie ist eine strategische Aufgabe, die Sie mit Sorgfalt, Ehrlichkeit und guter Vorbereitung meistern können.
Wenn Sie diese Grundsätze beherzigen, erhöhen Sie Ihre Chancen auf eine erfolgreiche PKV-Aufnahme erheblich – selbst mit kleineren Vorerkrankungen. Und Sie schaffen sich einen rechtssicheren Versicherungsschutz, auf den Sie sich im Ernstfall verlassen können.



